Freitag, 19.00 – 20.45 Uhr
Was bedeutet Marxismus heute?
Was war der Marxismus nicht alles: Gesellschaftstheorie und Staatsphilosophie, Kritik der politischen Ökonomie und Feld ideologischer Konflikte, Instrument der Klassenmobilisierung und Objekt politischer Justiz. Ein Kind des 19. Jahrhunderts, war er unbestreitbar prägende Kraft des 20. – an dessen Ende er dann selbst das Zeitliche segnete. Oder auch nicht? Was bedeutet Marxismus heute: eine lebendige Theoriebildung, eine radikale Minderheitenposition, ein Lifestyle-Accessoire dissidenter Milieus, eine Gefährdung akademischer Karrieren, ein Glasperlenspiel politischer Bedeutungslosigkeit? Und wo finden sich heute noch (oder wieder) marxistische Positionen: in universitären Nischen, in mehr oder weniger modernen Antiquariaten, in selbstorganisierten Lesezirkeln, bei politisch Ewiggestrigen, bei den klimabewegten »jungen Leuten«? Das Auftaktpodium der Zweiten Marxistischen Arbeitswoche fragt nach der theoretischen und praktischen Aktualität eines sozialen Phänomens, das vor einhundert Jahren als selbstverständlicher Bezugspunkt radikaler Gesellschaftskritik gelten konnte, heute aber aus vielerlei Gründen begründungsbedürftig erscheint. Wir bringen Akteur:innen an der Schnittstelle von Wissenschaft, Medien und sozialen Bewegungen miteinander ins Gespräch, die von jeder Anmutung marxistischer Orthodoxie entfernt sind, sich von den Begriffen und Intentionen marxistischer Gesellschaftsanalyse aber keineswegs entfremdet haben.
Podiumsdiskussion mit Florian Butollo, Altaira Caldarella, Ines Schwerdtner und Matthias Spekker. Moderation: Stephan Lessenich (IfS).
Samstag, 11.00 – 11.30 Uhr
Begrüßung
Samstag, 11.30 – 12.30 Uhr
»Besondere Probleme der marxistischen Theorie.« Die marxistische Arbeitswoche 1923 im Kontext ihrer Zeit.
Als die Marxistische Arbeitswoche über Pfingsten 1923 in Geraberg abgehalten wurde, da war die Option einer proletarischen Weltrevolution, für die die russische dann der Startschuss gewesen wäre, noch nicht endgültig vom Tisch. Aber es sah auch nicht gerade gut aus. Als erste Theorietagung des eben gegründeten Instituts für Sozialforschung nimmt die Veranstaltung deshalb eine Schwellenfunktion ein: sie ist später Ausdruck einer Hoffnung auf Revolution, und zugleich der Anfang einer postrevolutionären Theorie radikaler Immanenz: der Kritischen Theorie. Der Vortrag wird die Marxistische Arbeitswoche im Kontext ihrer Zeit behandeln und zugleich herauszuarbeiten versuchen, mit welchen Hypotheken sie die Kritische Theorie bis heute belastet.
Christian Voller ist wisenschaftlicher Mitarbeiter an der Leuphana-Universität Lüneburg, wo er sich mit Geschichte und Entwicklung des historischen Materialismus und der Kritischen Theorie beschäftigt. Ende 2022 erschien "In der Dämmerung. Studien zur Vor- und Frühgeschichte der Kritsichen Theorie".
Moderation: Alexandra Schauer (IfS).
Samstag, 14.00 – 15.30 Uhr
Kritik und Handgemenge. Über Rassismus, Antisemitismus und Debattenkultur
Workshop mit Floris Biskamp und Matti Traußneck.
Seit einigen Jahren ist ein paradoxes Phänomen zu beobachten: Auf der einen Seite sind sich diesseits der äußersten Rechten fast alle darüber einig, dass sowohl Antisemitismus als auch Rassismus bekämpft werden müssen. Auf der anderen Seite kommt es mit großer Regelmäßigkeit zu polemisch ausgetragenen Konflikten zwischen Antisemitismuskritiker:innen und Rassismuskritiker:innen, die sich wechselseitig als antisemitisch und rassistisch kritisieren.
Solcher Streit bricht insbesondere dann aus, wenn es um die Erinnerung an und das Verhältnis zwischen Shoah und Kolonialismus, um den Nahostkonflikt oder um Islam und Islamismus geht. Auf der großen Bühne geschah dies zuletzt in der Mbembe-Debatte, im „Historikerstreit 2.0“ und den Diskussionen um die documenta fifteen. Im kleinen Rahmen geschieht es immer wieder, wenn z.B. an Universitäten in Politgruppen und in linken Räumen Veranstaltungen durchgeführt werden sollen.
Im Workshop wird es zum einen darum gehen, nachvollziehbar zu machen, warum es immer wieder zu solchen Konflikten kommt: Worin bestehen die historischen Hintergründe und welche unterschiedlichen Verständnisse von Gesellschaftskritik und ihrer Ziele sind es, die da aufeinanderprallen? Zum anderen wollen wir gemeinsam darüber reflektieren, was ein angemessener Umgang mit solchen radikalen Differenzen und Konflikten ist: Wie können wir es verstehen, dass Menschen, die sich in der abstrakten Zielsetzung einig sind, dass alle Menschen frei und gleich leben können, sich gegenseitig als antisemitisch oder rassistisch delegitimieren? Und wie verstellt die moralische Aufladung der Gegenstände der Auseinandersetzung (Rassismus und Antisemitismus) deren Verfasstheit als gesellschaftliche Verhältnisse (und damit uns allen inhärenten Wissenskomplexen)? Wie intervenieren wir in eine Debatte, die regelmäßig von allen Seiten aus in genau jenem identitätspolitischen Spiegelgefecht versandet, das es kritisch zu durchdringen gilt?
Der Workshop richtet sich sowohl an diejenigen, für die diese Konflikte relativ neu sind, als auch an diejenigen, die bereits langjährige Erfahrungen mit ihnen haben, aber immer noch bereit sind zu diskutieren.
Matti Traußneck ist Politik- und Literaturwissenschaftlerin an der Philipps Universität Marburg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Antisemitismus, Kolonialität und die Kategorie der Rasse in der Moderne.
Floris Biskamp ist Politikwissenschaftler und Soziologe und derzeit stellvertretender Projektleiter im Forschungsprojekt EZRA: Rassismus und Antisemitismus erinnern an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Darüber hinaus ist er Postdoc im Promotionskolleg Rechtspopulistische Sozialpolitik und exkludierende Solidarität an der Universität Tübingen. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen politische Theorie, politische Ökonomie, politische Bildung, Populismusforschung und Rassismusforschung.
Samstag, 17.15 – 18.30 Uhr
Die Diversität der Ausbeutung: Zur Kritik des herrschenden Antirassismus
In Deutschland wird von Antidiskriminierungsstellen bis zur radikalen Linken ein liberaler Rassismusbegriff vertreten, der vor allem auf Repräsentation, Inklusion und Diversität setzt. Wie Klasse und Rasse zusammenhängen, wird aktuell so gut wie nicht diskutiert. Dabei gibt es durchaus eine kritisch-marxistische Tradition der Rassismusforschung. Der aktuelle Sammelband „Die Diversität der Ausbeutung" von Bafta Sarbo bietet eine politische Intervention in die aktuelle Debatte um strukturellen und institutionellen Rassismus – ob auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Polizei – und präsentiert Alternativen zum liberalen Antirassismus, indem ein marxistischer Rassismusbegriff in Theorie und Praxis vorgestellt wird. Im Gespräch mit Sowmya Maheswaran greift Bafta Sarbo historische und aktuelle marxistische Diskussionen auf, um diese im Zusammenspiel mit antirassistischen Perspektiven nutzbar zu machen.
Bafta Sarbo ist Sozialwissenschaftlerin und Autorin. Sie lebt in Berlin und arbeitet zu marxistischer Gesellschaftskritik, (Anti-)Rassismus, Migration und Polizeigewalt. Sie gibt bei der Rosa Luxemburg Stiftung Lektüreseminare zum marxschen Kapital. Politisch ist sie unter anderem aktiv im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund e.V.)
Sowmya Maheswaran ist als politische Anthropologin aktivistisch, journalistisch und beratend tätig. Inhalte ihrer Arbeit sind globale Konfigurationen von Rassismus und Kapitalismus sowie Flucht, Migration und Sri Lanka. Im Rahmen ihrer Promotion an der Humboldt Universität zu Berlin forscht sie zu dissidenten Subjekten und ihren Kulturen des Widerstands mit ethnographischem Schwerpunkt auf postkolonialen Konflikten und Kämpfen von Tamil:innen.
Samstag, 19.30 – 20.45 Uhr
Von der endlichen zur unendlichen Analyse. »Behandlungsarten« in der Krise
Alles ist in der Krise: die Gesellschaft, die kritische Theorie, die Psychoanalyse. Die Subjektivität erst recht. Und das schon länger. Was tun? Eine Konferenz abhalten. Der Vortrag bringt die »subjektiven Bedingungen der objektiven Irrationalität« (Adorno) auf den aktuellen Stand des Immergleichen, in der Hoffnung, dass aus der unendlichen doch noch einmal die endliche Gesellschaftsanalyse werden könnte.
Christine Kirchhoff ist Professorin für theoretische Psychoanalyse und Subjekt- und Kulturtheorie an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin.
Moderation: Dirk Braunstein (IfS).
Sonntag, 12.45 – 13.45 Uhr
Unbedingte Solidarität
Ganz verschwunden war sie im politischen Aktivismus nie, in den sozialtheoretischen Diskursen aber wurde lange nicht über sie gesprochen: Solidarität. Mittlerweile ist sie wieder in aller Munde, ob im Kontext der Klage über die Erosion von Solidargemeinschaften, die neoliberale Individualisierung oder die Fragmentierung der Linken.
Analytisch wie politisch ist Solidarität tatsächlich die Herausforderung der Stunde. In unserem Vortrag plädieren wir dafür, Solidarität als unbedingte zu entwerfen. Solidarisches Handeln darf sich nicht nur als bloße Parteinahme für die Gleichen und Ähnlichen äußern, das heißt gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Herkunft oder gleiches Geschlecht sollten keine Voraussetzung sein. Zweitens sollte Solidarität unbedingt sein, insofern sie nicht als Tauschgeschäft von Kosten und Nutzen und/oder Rechten und Pflichten konzipiert werden sollte. Und schließlich ist Solidarität drittens auch im Sinne einer emphatischen Dringlichkeit unbedingt: Wir brauchen mehr solidarische Beziehungen im Kampf für eine gerechte Gesellschaft!
Lea Susemichel, Journalistin und leitende Redakteurin von an.schläge. das feministische Magazin, Wien. https://www.susemichel.com
Jens Kastner, Soziologe und Kunsthistoriker, Akademie der bildenden Künste Wien. https://www.jenspetzkastner.de/startseite
Jens Kastner und Lea Susemichel (Hg.): Unbedingte Solidarität. Münster 2021, Unrast Verlag.
https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/unbedingte-solidaritaet-775-detail
Moderation: Stephan Lessenich (IfS)
Sonntag, 16.30 – 18.30 Uhr
Subjekt und Befreiung
Die Denktradition der kritischen Theorie vermag es kaum noch, sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. Insbesondere an den Universitäten wird sie von einer irrationalistischen Gegenaufklärung verdrängt, die Vernunft, Wahrheit und Subjekt unter Generalverdacht stellt und dadurch die Perspektive gesellschaftlicher Befreiung verunmöglicht. Wer sich diesem Angriff auf das kritische Denken widersetzen will, muss aber dessen Grundlagen selbst prüfen, damit Kritik nicht zum Vorurteil, zur beliebig auf- und absetzbaren Theoriebrille verkommt.
Die im vorgestellten Band »Subjekt und Befreiung« versammelten Texte reflektieren vor allem subjekt- und revolutionstheoretische Probleme kritischer Gesellschaftstheorie. Askan Schmidt wird den Band allgemein vorstellen, Lea Fink insbesondere über ihren im Band enthaltenen Text über die »Kritik des Marxismus« durch Walter Benjamin, Ernst Bloch und Georg Lukács im Jahr 1923 sprechen. Im Mittelpunkt des Beitrages von Simon Helling steht die Funktion des Widerspruchs innerhalb von Bildungsprozessen.
Lea Fink promoviert zum Metaphysik-Begriff der Kritischen Theorie. Sie hat Philosophie und Geschichte in Freiburg und Berlin studiert. Außerdem arbeitet sie als Stadtführerin zu historischen, politischen und philosophischen Themen in Berlin.
Simon Helling promoviert zu philosophischen Modellen transzendierender Bildung bei Fichte, Hegel, Adorno und Heydorn. Neben der philosophischen Bildungstheorie besteht ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit in der ästhetischen Theorie. Er lehrt an der Universität Wuppertal im Rahmen eines Projekts zur Lehrerbildung.
Askan Schmidt studierte Philosophie, Sozialwissenschaft und Politikwissenschaft in Marburg und Oldenburg. Er beschäftigt sich mit kritischer Theorie, Geschichtsphilosophie und Psychoanalyse. Daneben ist er bildungs- und hochschulpolitisch aktiv.
Der Band »Subjekt und Befreiung« ist Teil der Schriftenreihe »Beiträge zur kritischen Theorie« der Gesellschaft für kritische Bildung (https://kritischebildung.de), die im Verbrecher Verlag erscheint.
Sonntag, 19.30 – 20.45 Uhr
Materialismus und Stoffwechsel: Grundzüge eines ökologischen Marxismus.
Die marxistische Linke des 20. Jahrhunderts verstand sich mehrheitlich als fortschrittsaffine Bewegung, in der für eine Kritik des Produktivismus wenig Platz war. Bei Marx selbst jedoch lassen sich durchaus »grüne« Argumente finden, mit denen die ökologische Destruktivität der Industrialisierung kritisiert wurde. So wird von Marx der mittlerweile breit debattierte Begriff des metabolic rift (»Riss im Stoffwechsel«) verwendet, um am Beispiel der Landwirtschaft zu analysieren, wie Klassen- und Produktionsverhältnisse auf einem spezifischen Stoffwechsel mit der Natur beruhen, der wiederum die materiellen Grundlagen dieser Gesellschaftsverhältnisse zersetzen kann.
Diese ökologisch-materialistische Dimension entpuppt sich heute als zentraler Widerspruch des Kapitalismus. Während die Klassenantagonismen in den vergangenen zwei Jahrhunderten immer wieder stabilisiert werden konnten, erweist sich die ökologische Krise als ein im Kapitalismus unlösbares Problem. Der Akkumulationszwang des Kapitals und die Grenzen des Stoffwechsels auf einem abgeschlossenen Planeten sind offenbar nicht miteinander zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Linke die Aufgabe, eine materialistische Theorie zu popularisieren, die Klassen- und Naturverhältnisse nicht als getrennte soziale Bereiche, sondern als Gesamtzusammenhang verhandelt.
Raul Zelik ist freier Autor, Übersetzer und Politikwissenschaftler. Sein aktuelles Buch heißt »Wir Zombies des Kapitals. Über politische Monster und einen grünen Sozialismus« (Suhrkamp)
Moderation: Timo Dorsch bewegt sich an der Schnittstelle zwischen akademischen, politischen und journalistischen Arbeiten. Als Mitherausgeber erschien zuletzt von ihm der Sammelband Geographie der Gewalt. Macht und Gegenmacht in Lateinamerika (2022).
Sonntag, 21.00 – 22.30 Uhr
Kritik der Bedürfnisse
Der Referent wird sich mühen …
1) ... die heutigen Bedürfnisse als zum bestehenden System gehörig zu denunzieren. Sie sind auf eine übermächtige Struktur zurückzuführen, die in die Menschen einwandert, sie prägt, hässlich macht. (Hilfestellung durch Zitate aus Agnes Heller: »Theorie der Bedürfnisse«)
2) ...alles zu vermeiden, was ihn als Weltverbesserer durch richtiges Verhalten im Marktgeschehen, als Berater kritischer Konsument:innen erscheinen lassen könnte. Auch distanziert er sich von allen pfäffischen Belehrungen, die den unteren Schichten den unschicklichen Konsum ankreiden ‒ und von den Produktionsbedingungen, denen sie unterworfen sind, absehen. (Hilfestellung: Karl Marx)
3) ... die Voraussetzung aller kritischer Reflektion über Bedürfnisse, dass der Mensch satt, bekleidet, behaust und versorgt sein muss, nie zu ignorieren. Das schützt davor, voreilig ins Solzialpsychologische zu wechseln. (Hilfestellung: Theodor W. Adorno)
4) ... dennoch daran festzuhalten, dass wahre und falsche Bedürfnisse unterscheidbar sind (Hilfestellung: Herbert Marcuse) - und dass »enormes Bewusstsein« einen Bruch mit dem Bestehenden impliziert und also etwas fundamental anderes ist als das Postulat der »sozialen Gerechtigkeit«. (Hilfestellung: Karl Marx)
5) ... das Dilemma, den Teufelskreis, nicht zu verschweigen, dass andere Verhältnisse (ohne Konkurrenz, ohne Arbeitstempo im Dienste der Produktivität, ohne Sorge vor dem Absturz ins Elend etc.) gewiss Menschen mit anderen Bedürfnissen erbrächten ‒ wir aber nicht wissen, ob die Sehnsucht nach dem ganz anderen unter Bedingungen heutiger materieller Wirklichkeit je große Potenziale erfassen kann. (Hilfestellung: Agnes Heller, Herbert Marcuse: »Versuch über die Befreiung«)
6) ... immer nachzuweisen, dass Bedürfniskritik stets auf einen Begriff gesellschaftlichen Reichtums insistiert, der antagonistisch zum herrschenden sich verhält, weil er nicht im Entferntesten asketisch ist und deshalb, um der Arbeit zu fliehen, auf all die überflüssigen, dummen, sinnlosen Produkte und Dienstleistungen verzichtet. Wenn Adorno, was selten ist, die befriedete Zukunft doch einmal ›auspinselt‹, dann so: »Wenn es einmal kein Monopol mehr gibt, wird sich rasch genug zeigen, dass die Massen den Schund, den die Kulturmonopole und die jämmerliche Erstklassigkeit, die die praktischen ihnen liefern, nicht ›brauchen‹.« (»Thesen über Bedürfnisse«)
Thomas Ebermann ist »Arbeiter ohne Fixierung auf diese frühere Lebensphase, Politiker ohne Karriere, Intellektueller ohne Abitur, Künstler ohne Genre-Grenzen. Das Wörtchen ›ohne‹ markiert immer auch Nichtzugehörigkeit« (Georg Fülberth).
Moderation: Mirko Broll (IfS).
Montag, 12.45 – 13.45 Uhr
Was ist materialistischer Feminismus?
War das Verhältnis zwischen feministischen und marxistischen Ansätzen der Gesellschaftskritik über lange Zeit spannungshaft, gerät aktuell wieder vermehrt das Potential der Marx’schen Analyse für feministische Diskurse in den Blick. So plädieren Autor:innen wie Nancy Fraser für eine Ausweitung des Klassenbegriffs insbesondere unter Berücksichtigung reproduktiver Arbeit, um breite Koalitionen gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung zu gewinnen. In dem Gespräch werden sowohl die analytischen Grundlagen materialistischer Feminismen als auch ihr exploratives Potential zur kritischen Erschließung unserer Gegenwart verhandelt. Diskutiert werden dabei aktuelle Entwicklungen und Desiderate innerhalb der Geschlechterforschung und die Frage, an welche am Institut für Sozialforschung entstandenen Arbeiten eine materialistisch-feministische Perspektive heute anknüpfen kann.
Podiumsdiskussion mit Lisa Yashodhara Haller und Barbara Umrath. Moderation: Christina Engelmann.
Lisa Yashodhara Haller arbeitet im Bereich der feministischen Gesellschaftstheorien sowie der Paar- und Geschlechterforschung. In ihrer empirischen Forschung befasst sie sich mit den Vermittlungszusammenhängen zwischen der staatlichen Steuerung unserer kapitalistischen Wirtschaft und vermeintlich ganz privaten Entscheidungen des Alltags.
Barbara Umrath arbeitet schwerpunktmäßig in der kritischen Gesellschaftstheorie und der interdisziplinären Geschlechterforschung. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören feministische Theorien, Soziologie für die Soziale Arbeit und partizipative Sozialforschung.
Christina Engelmann promoviert am Institut für Sozialforschung mit einer sozialphilosophischen Arbeit zur »Freiheit des Kapitals« und arbeitet zu Clara Zetkin und der proletarischen Frauenbewegung an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Montag, 16.45 – 18.30 Uhr
Antisemitismus der Gegenwart
Empirische Daten zeigen, dass antisemitische Taten und Einstellungen zunehmen. Zugleich finden in vielen gesellschaftlichen Feldern kontroverse Debatten über Antisemitismus statt. Doch diese Diskussionen entkoppeln sich zusehends von einer gesellschaftstheoretischen und gesellschaftskritischen Antisemitismusforschung, die über eine bloße Skandalisierung und Individualisierung hinausgeht. Wie können und sollten marxistische Ansätze auf diese Entwicklung reagieren? In welchen Formen zeigt Antisemitismus sich in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisenkonstellation? Und welchen Stellenwert hat die Analyse und Kritik des Antisemitismus für die marxistische Gesellschaftstheorie? Darüber diskutieren Christine Achinger und Oliver Decker.
Podiumsdiskussion mit Christine Achinger und Oliver Decker. Moderation: Philip Hogh.
Oliver Decker, Dipl.-Psych., ist Professor für Sozialpsychologie und interkulturelle Praxis an der Sigmund-Freud-Universität Berlin und Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts sowie des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung, beide Universität Leipzig. Arbeitsschwerpunkte: Kritische Theorie, Autoritarismus, Medizin, empirische Sozialforschung. Auswahl der letzten Veröffentlichungen: Schuler, J., Schließler, C., Schmidt, A., Decker, O. (2023). Was nun? Die wiederkehrende Frage nach politischer Handlungsfähigkeit. Psychosozial 46, Heft I (Nr. 171); Decker, O., Kiess, J. & Brähler, E. (2022) (ed.). Escape into Authoritariansim. New York: Routledge.
Christine Achinger ist Associate Professor für German Studies an der University of Warwick (Großbritannien). Arbeitsschwerpunkte u.a.: Geschichte und Theorien des Antisemitismus, Konstruktionen von Alterität in der kapitalistischen Moderne, kritische Theorie. Ausgewählte Veröffentlichungen: 'Bilder von Geschlecht, Judentum und Nation als Konstellation – Intersektionalität und kritische Theorie', in Stögner und Colligs (Hg.), Kritische Theorie und Feminismus, Frankfurt: Suhrkamp 2022; Antisemitism, Racism and Islamophobia: Distorted Faces of Modernity (hg. mit Robert Fine), New York: Routledge 2015; Gespaltene Moderne. Gustav Freytags Soll und Haben - Nation, Geschlecht und Judenbild, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2007.
Montag, 19.30 – 20.45 Uhr
Emanzipatorisches Subjekt – Klasse & Kritische Theorie
In den letzten Jahren hat sich in den kritischen Gesellschaftstheorien eine zunehmende Rückbesinnung auf die Klasse bemerkbar gemacht. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage nach dem Subjekt gesellschaftlicher Veränderung und der Subjektivierung durch »Klasse«. Der Klassenbegriff ist einer von mehreren zentralen Begriffen kritischer Gesellschaftstheorie, welcher mit den Krisendynamiken der letzten Jahrzehnte auch in die öffentliche Diskussion zurückgekehrt ist. Es stellt sich also die Frage, wie sich eine kritische Gesellschaftstheorie angesichts der weltweit ausgetragenen Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung heute positioniert und welches explanatorische Potential der Klasse dabei zukommt. In der Veranstaltung soll deswegen die Bedeutung der Klasse für eine kritische Gesellschaftstheorie diskutiert, und danach gefragt werden, inwiefern eine theoretische, wie praktische Rehabilitation der Klasse als emanzipatorisches Subjekt in heutigen Zeiten möglich erscheint.
Podiumsdiskussion mit Lena Reichardt und Julian Bierwirth. Moderation: Christina Engelmann
Lena Reichardt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung. Dort liegen ihre Arbeitsschwerpunkte auf Kritischer Gesellschaftstheorie, politischer Ökonomie der Sorge, Arbeits- und Geschlechtersoziologie sowie qualitativer empirischer Sozialforschung.
Julian Bierwirth arbeitet seit 20 Jahren haupt- und ehrenamtlich in der Jugend- und Erwachsenenbildung. Er ist in der Gruppe Krisis aktiv und beschäftigt sich derzeit schwerpunktmäßig mit den polit-ökonomischen Hintergründen der Klimakrise.
Christina Engelmann promoviert am Institut für Sozialforschung mit einer sozialphilosophischen Arbeit zur »Freiheit des Kapitals« und arbeitet zu Clara Zetkin und der proletarischen Frauenbewegung an der Justus-Liebig-Universität Gießen.